Sören Schwabbauer einer der Jungs der bereits von Tag eins mit uns über die Straßen von Innsbruck rollt. Derzeit plant er ein ganz besonderes Projekt und erzählt uns von seinen Erlebnissen zu Beginn des Jahres...
Im Februar diesen Jahres, bin ich beim Race Around Rwanda gestartet. Einem 1.000 Kilometer langen, self-supported Bikepacking Rennen in einem kleinen Land in Ostafrika. Im folgenden Blogeintrag möchte ich das Rennen nochmal Revue passieren lassen und meine Eindrücke und Erlebnisse mit euch teilen.
Self-Supported Bikepackingracing in Ruanda? Wie, was, wo?
Während Bikepacking sich immer größerer Beliebtheit erfreut, sind Bikepackingrennen eher weniger bekannt. Die Spielregeln sind einfach: alles was man unterwegs braucht, muss man selber mitnehmen und die Uhr wird erst gestoppt, wenn man im Ziel ist.
Noch unbekannter als Bikepackingrennen ist wahrscheinlich das kleine ostafrikanisch Ruanda. Ein Land, welches nach einem schrecklichen Genozid im Jahr 1994 einen rasanten Aufschwung hingelegt hat und heute zu den politisch stabilsten Ländern gehört. Wer sich in den Kaffees und Malls der Hauptstadt Kigali bewegt, vergisst schnell, dass er nicht in Europa ist. Das Land ist bekannt für seinen Kaffee, Tee und Berggorillas, die im Nordwesten leben.
Rennbericht
Los ging es um 3 Uhr morgens. Im Hotel (wo sich auch der Start befand) drängelte sich eine aufgeregte Meute von rund 100 Radbegeisterten aus aller Welt um das Frühstücksbuffet. Die Gespräche drehten sich, wie bereits in den vergangenen Tagen auch, um Packtaschenkonzepte, Rennstrategien und Bikepackingerlebnissen aus aller Welt. Startschuss war um 4. Von der Polizei eskortiert rollte der Konvoy durch die noch leeren Straßen der Hauptstadt. Mit Sonnenaufgang um 6 Uhr füllten sich auch die Straßen mit Menschen. Dazu muss man sagen, dass Ruanda das am dichtesten besiedelte Land Afrikas ist. Teilnehmer, die sich im Voraus sorgen um die Sicherheit gemacht haben, berichteten hinterher, dass sie mehr Probleme damit hatten, einen ruhigen Ort zum Pinkeln zu finden. Da Sonntag war, war sogar noch ein wenig mehr los als sonst. Leute fegten ihre Vorgärten, trieben Sport, oder waren (fein rausgeputzt) auf dem Weg zum Gottesdienst. Mit einer Gruppe Fußballspielern startete ich spontan eine La-Ola-Welle und unter den neugierigen Kindern am Straßenrad verteilte fleißig ich HighFives. Die Stimmung war gut, die Strecke (noch) flach und so rollte es dahin. Vorbei an Bananenplantagen und Reisfelder, durch Nebelschwarten, die der aufgehenden Sonne noch nicht gewichen waren und bald auch über die ersten 70 von insgesamt 400 Kilometer Gravel parallel zur östlichen Landesgrenze in Richtung Norden bis zum ersten von insgesamt vier Checkpoints. Ich merkte, dass ich meinen Rhythmus gefunden hatte. Dieser Rhythmus aus Essen, Trinken und Treten lief rund, bis ich auf dem zweiten Gravelabschnitt mein Handy zum Filmen rausholte. Ehe ich mich versah, katapultierte mich die nächste Bodenschwelle bei voller Fahrt aus dem Sattel und ich fand mich neben meinem Rad in einer Staubwolke wieder. Glück im Unglück. Das Rad war noch heile und 15 Kilometer weiter gab es ein Krankenhaus. Dort verband mir eine etwas verwunderte, aber doch sehr freundliche, französisch sprechende Schwester die aufgeschürften Hände und desinfizierte die Schrammen an Armen und Beinen. „Unvorteilhaft“ dachte ich mir. Aber meckern bringt einen bekanntermaßen nicht ins Ziel. Neben einem Haufen Fußgängern und Autos tummeln sich auf den Straßen auch unzählige Fahrräder. Stahlräder mit einem Gang, manchmal mit und manchmal ohne Bremse, aber immer voll beladen mit allem, was eben so von A nach B muss. Von Menschen, über Tiere, bis hin zu Banenenstauden oder Kanistern. Manch ein Gleichgesinnter sprach Englisch und so kamen der ein oder andere Smalltalk zustande, bis ich dann schlussendlich Bergab abgehängt wurde. Im dritten Gravelabschnitt traf ich auf eine Gruppe aus gut 10 Kindern, die scheinbar schon auf mich gewartet hatte. Während ich mich bei rund 35 Grad in der Nachmittagssonne einen der unzähligen Berge rauf schleppte, leisteten diese mir über gute 500 Höhenmeter neben, vor und hinter mir joggend, beste und vor allem lautstarke Gesellschaft. Nach 14 Stunden im Sattel wurde es zum ersten Mal dunkel und nach einigen weiteren, undankbaren Stunden auf unwegsamen Gelände beschloss ich, dass ein Powernap am Wegesrand die beste Idee ist. Um mich herum nichts als Stille. Der Mond schien auf die glatte Seeoberfläche und ließ die Silhouetten der beiden Vulkane in der Ferne im Dunkeln der Nacht hervorstechen.
Noch in der Dunkelheit von Tag zwei erreichte ich den nächsten Checkpoint. Mittlerweile befand ich mich am nordwestlichsten Punkt der Route, nicht unweit von der Grenze zu Uganda, und nahm Kurs Richtung Süden. Von hier aus schlängelte sich die Route durch die von Vulkangestein geprägte Landschaft, weiter durch unzählige Teeplantagen und über den höchsten Punkt der Route auf 2900 Metern. Von dort aus verlief die Strecke parallel zum Grenzsee „Lake Kivu“, über ein Stück des Congo-Nile Trails und bog schließlich wieder nach Westen ab, wo eine asphaltierte Straße durch den Regenwald des Nyungwe National Park verlief.
Auf diesen 100 Kilometern, mittlerweile war der 3. Renntag angebrochen, war ich zum ersten Mal tagsüber wirklich alleine. Aus dem dichten Busch rechts und links von der Straße hallten Urwaldgeräusche und immer wieder hüpften Affen über die Straße. Die zahlreichen Gegenanstiege luden dazu ein, den Blick in die Ferne und über das Blätterdach des Regenwaldes, Richtung Burundi (südliches Nachbarland) schweifen zu lassen. Neben den 60 Stunden, die mittlerweile seit Beginn vergangen waren, machte mir der einsetzende Starkregen zu schaffen. Dieser verwandelte den siebten Gravelabschnitt der Route in ein rutschiges Schlammbad. Mittlerweile war es dunkel, kalt, und die Stimmung sicher auf einem Tiefpunkt. Hoffnung weckte der noch rund 40 Kilometer entfernte letzte Checkpoint, an dem es, wie an den anderen vier Kontrollpunkten auch, rund um die Uhr die Chance auf eine frische Mahlzeit gab. Um nicht in einen Hungerast zu verfallen, löffelte ich die zweite Hälfte meiner Erdnussbutter aus, die ich mittlerweile seit 800 Kilometern mit mir rumfuhr.
Als ich am vierten Tag aufwachte, fand ich mich noch auf demselben Stuhl wieder, auf dem ich mich 3 Stunden zuvor hingesetzt hatte. Vor mir stand immer noch derselbe Teller mit Reis und Soße. Mit dem Verlassen des Kontrollpunkts, dämmerte es bereits. Vor mir lagen noch 150 Kilometer, die mich zunächst durch belebte Dörfer führten. Es war Markttag und aus allen Himmelsrichtungen strömten wieder Autos und Fahrräder, die riesige Reissäcke, Obst und Gemüse transportierten. Unzählige Kinder rannten über die Wege. Anders, als noch am ersten Tag, war meine Begeisterung HighFives zu verteilen deutlich gesunken. Auf den letzten einhundert Kilometern wurde es nochmal richtig heiß. Kigali war zum Greifen nah. An mir donnerten LKWs vorbei und drängten mich immer wieder auf den schlecht befestigten Seitenstreifen. Auf den letzten 5 Kilometer vor dem Ziel, vermischten sich in die Emotionen mit einem beschreibbaren Gefühl eines Finishlinemoment. Das monatelange Kopfzerbrechen über die richtige Ausrüstung, das Training bei Minustemperaturen am Rad und schlussendlich jedes Wehwehchen der letzten 995 Kilometern - all das war egal. Also fast. Auf einmal bog die Straße auf Kopfsteinpflaster ab. Kopfsteinpflaster – ernsthaft?? Fluchend balancierte ich über die glatte Gehsteigkante inmitten des dichten Gedränges aus Autos, Motorrädern und Fußgängern, um die Schmerzen in den Füßen, Händen und – STOPP – das wird jetzt zu viel mimimimi jetzt auf den letzten Metern. Nach 72 Stunden, 1000 Kilometern und 17.000 Höhenmetern rollte ich über die Zielline meines ersten self-supported Bikepackingrennens. Wer jetzt eine jubelnde Menge im Zieleinlauf erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Die ersten Finisher hatten bereits eine Nacht im Hotel verbracht und viele waren noch unterwegs. So erhielt ich ein kleines Finishergift, setzte mich an den Tisch zu den verschwitzten Gleichgesinnten, die wenige Stunden vor mir ins Ziel gekommen waren und freute mich wie ein Schneekönig über eine kalte Cola und eine Portion Spagetti mit Tomatensoße.
Nach dieser Erfahrung kann ich sagen, dass Bikepackingrennen für mich mehr als nur Radfahren mit Packtaschen auf Zeit ist. Unterwegs begegnet man unvorhersehbaren Herausforderungen und fährt emotionale Achterbahnen aus Hochs und Tiefs an Orten, an denen man noch nie zuvor gewesen ist. Wer es schafft, ebendiese Herausforderung auf eigene Faust zu meistern und auch dann weiterzumachen, wenn es mal nicht läuft, auf den wartet der Sieg über den inneren Schweinehund und das Gefühl, über sich selbst hinausgewachsen zu sein.
Zuletzt möchte ich mich bei dem Team hinter KISS bedanken, dass ich hier die Möglichkeit bekomme, meine Erfahrungen zu teilen. Wer jetzt Lust bekommen hat selber, sich selbst am Bikepacken zu versuchen, oder sogar am Race Around Rwanda teilzunehmen, dem stehe ich gerne Rede und Antwort für alle offenen Fragen.
Die Copyrightrechte liegen bei MATT GRAYSON
Und was steht als Nächstes an?
Im Rahmen einer sportlichen Herausforderung, habe ich es mir zu Ziel gesetzt, ohne fremde Hilfe und aus eigenem Antrieb, vom tiefsten Punkt Deutschlands zum höchsten Punkt zu kommen. Die gut 900 Kilometer lange Radfahrt führt mich quer durch Deutschland von Neuendorf-Sachsenbande bis zur Reintalangerhütte bei Garmisch-Patenkirchen. Von dort aus trennt mich noch ein gut 6 Kilometer langer Aufstieg vom Gipfel der Zugspitze.
Bei dieser sportlichen Herausforderung möchte ich auf das Schulprojekt “Mon Devoir” im Togo (Westafrika) aufmerksam machen. Die Schule bietet einen Stipendienfonds für Kinder aus sozial-schwachen Familien, um jedem Kind eine Chance auf Bildung zu ermöglichen. Damit die laufenden Kosten gedeckt werden können, fallen im Schnitt 30 € pro Halbjahr pro Kind an. Durch den regelmäßigen Kontakt zum Vorstand, sowie aktiven Mitgliedern im Verein, vertraue ich darauf, dass das gespendete Geld zu in voller Höhe dort eingesetzt wird, wo es verwendet werden soll.
Für diesem Fond möchte ich Spenden sammeln und ich würde mich riesig freuen, wenn du mich dabei unterstützt.
Das geht direkt via PayPal:
oder via Überweisung:
Kontoinhaber: Mon Devoir e.V. BIC: GENODE61FR1 IBAN: DE91 6809 0000 0025 3991 02 Verwendungszweck: Zugspitze
Wir von KISS freuen uns die bereits eingenommenen Spenden aus unserem Onlineshop direkt an das Projekt weiter geben zu dürfen aber falls Du Sören auf der Reise (unabhängig von einer Spende) verfolgen möchtest, kannst Du gerne dieser WhatsApp Gruppe beitreten, um Updates von unterwegs zu bekommen:
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